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Moment mal | 04.04.2025 – 18.04.2025
Liebe Leserinnen und Leser, es gibt auch eine strahlende, es gibt eine positive Seite der Kirche und des Glaubens. Auf diese will der Journalist Tobias Haberl hinweisen. Er betitelt sein Buch „Unter Heiden“ und überlegt darin, was das 21. Jahrhundert von Christen lernen kann. Ich habe dieses Buch mit großem Gewinn gelesen. Aus zwei Gründen:
Zum einen begeistert er mich neu für den persönlichen Glauben an Jesus Christus. Haberl drückt das Unbehagen darüber aus, dass einer zunehmend entchristlichten Gesellschaft das Wesentliche verlorengeht – ohne dass sie das zu bemerken scheint: „Ich glaube, dass der moderne Mensch darunter leidet, dass er seinen Glauben verloren hat, ohne dass er es merkt. Ich glaube, dass er sein Glück in falschen Dingen und an falschen Orten sucht. Ich glaube, dass er Sehnsucht nach etwas hat, das er sich nicht erklären kann.“ Und dann schildert er die Schönheit und Kraft des Glaubens, den Trost, den Halt und die Hoffnung, die ihm der Glaube schenkt, auf so einladende Weise, dass man danach einfach wieder dankbar für den Glauben wird. Es ist ein sehr persönliches, ehrliches Buch über den Glauben, dem bestimmt nicht alle in allen Punkten zustimmen, manchmal viele sogar heftig widersprechen werden, das aber sicher eines erreichen kann: Menschen über den Glauben wieder ins Gespräch zu bringen.
Zum zweiten macht Tobias Haberl mir meine Kirche lieb. Haberl zeigt auf: Kirche eröffnet mir einen Raum, den ich nicht erst selbst schaffen muss: Einen Raum, um Gott zu begegnen. Einen Raum, in dem ich in jahrhundertealte Gebete, Liturgien, Traditionen eintauchen kann - und das schenkt mir Geborgenheit. Und ich verstehe plötzlich, warum ich manche praxis pietatis so anstrengend finde. Ich fühle mich nicht so wohl, wenn jedes Gebet neu erfunden und jedes Lied erst zehn Jahre alt ist. Das erlebe ich oft als anstrengend. Weil in diesem Fall kein Raum da ist, in den ich mich begeben kann, sondern weil ich die geistliche Atmosphäre erst selbst erschaffen muss. Es braucht Riten und Räume, die älter und größer als ich sind, damit ich in ihnen lernen und wachsen kann. Tobias Haberl hat mir neu aufgezeigt: Ein lebendiger Glaube und die Liebe zur Kirche schließen sich nicht aus, sondern beflügeln einander. Danke, Tobias Haberl, für dieses bemerkenswerte Buch!
Herzlichst, Ihr Pfr. Johannes Werle