Informationsveranstaltung zum Starkregenschutz in Karlsbad-Mutschelbach am 24. Februar
Am 24. Februar fand die erste Starkregeninformationsveranstaltung im Ortsteil Mutschelbach statt. Zuvor gab es diese bereits in Langensteinbach und Auerbach. Eine recht große Anzahl an Bürgerinnen und Bürgern verfolgte den Fachvortrag des beauftragten Ingenieurbüros Wald + Corbe. Jörg Koch und Anne Jakobs stellten die Untersuchungsergebnisse und mögliche Maßnahmen in der Bocksbachhalle des TTC Mutschelbach vor. „Wie können wir bei solchen Ereignissen eine möglichst hohe Sicherheit erreichen“, dies ist für Bürgermeister Jens Timm auch in Mutschelbach der Dreh- und Angelpunkt des Handelns. Der folgende Text fußt im Wesentlichen auf den Informationen des Fachbüros. Sie finden alle Informationen auf der Webseite der Gemeinde Karlsbad (www.karlsbad.de) eingestellt unter der Box „Unwetterereignisse“: https://www.karlsbad.de/website/de/aktuelles/hochwasserproblematik
Zunehmende Anzahl an Starkregenereignissen durch Klimawandel
Die außergewöhnlichen Starkregenereignisse im Zeitraum vom 18.06. bis zum 04.07.2021 haben in Mutschelbach mehrfach zu Überflutungen und Sachschäden in großer Höhe an mehreren Straßenzügen geführt. Besonders betroffen waren Gebäude und Einrichtungen im Bereich des Wolfsgrabens. Überflutungen und Sachschäden traten aber auch an der Autobahn 8 sowie vereinzelt auch an anderen Gebäuden abseits der beschriebenen Bereiche auf.
Starkniederschläge sind gekennzeichnet durch große Niederschlagsmengen, die in kurzer Dauer und räumlich begrenzter Ausdehnung auftreten und in der Folge zu oberflächigem Abfluss (Sturzfluten) führen. In Siedlungsflächen führen diese Abflüsse immer häufiger zu schadhaften Überflutungen abseits der eigentlichen Fließgewässer. Zwischenzeitlich haben die aufgetretenen Schäden durch Starkregen einen Anteil von 50 % an allen Hochwasserschäden bundesweit eingenommen.
Von Flusshochwasser spricht man dagegen bei einem über die Ufer tretenden Gewässer infolge flächiger Überregnung und / oder Schneeschmelze im Einzugsgebiet.
Das Auftreten von Starkregen ist vornehmlich im Frühjahr und Sommer zu beobachten, wenn hohe Temperaturen die Bildung großer Gewitterzellen begünstigen. Die Abflussbildung bei Starkregen wird durch die Flächenversiegelung und durch jahreszeitlich sich verändernde Bodencharakteristika bzw. die Bepflanzungssituation beeinflusst.
Das Auftreten von Starkregen über dem Siedlungsgebiet, also unmittelbar über den bebauten Flächen, muss durch die Ortskanalisation (Mischkanalisation oder Trennkanalisation) abgeführt werden. Zu beachten ist dabei, dass diese baulichen Einrichtungen auf eine Wiederkehrzeit von i.d.R. max. 5-jährlichen Niederschlagsereignissen ausgelegt sind. Höhere Niederschläge führen bekannterweise zu Abflüssen über Straßen, Wege und Plätze zum nächsten Vorfluter oder versickern und verdunsten in Geländesenken.
Die zunehmende Anzahl von Starkniederschlagsereignissen in den vergangenen Jahren ist mit der stattfindenden Klimaveränderung verbunden und die Gefahren werden sich in den kommenden Jahren noch verstärken.
Problematisch werden Starkniederschläge insbesondere dann, wenn bisher nicht beobachtete oder nicht erwartete Abflüsse aus Außengebieten in die Ortslage einfließen und dort auf ungeschützte Gebäude und Einrichtungen treffen. Diese negativen Erfahrungen haben viele der Anwohner im Juni / Juli 2021 gemacht.
Mutschelbacher Bereiche der Starkregenereignisse: Verdolungseinlauf Wolfsgraben (Foto Wald + Corbe)
Wie müssen mögliche Schutzmaßnahmen gestaltet sein und in welchem Umfang ist ein Schutz überhaupt möglich?
Wenn man sich zukünftig vor diese Gefahren schützen möchte, muss ein integrativer Ansatz gewählt werden. Gleichzeitig muss man sich immer im Klaren darüber sein, dass es keinen absoluten Hochwasserschutz oder Überflutungsschutz geben kann.
Die Vorgehensweise zur Vermeidung von Schäden durch Starkregen ist landesweit einheitlich geregelt. Wichtig ist bei wasserwirtschaftlichen Betrachtungen, dass wir die Ortslage immer als Ganzes betrachten.
Für den Ortsteil Mutschelbach (und Langensteinbach) können aber die Lösungen nicht ausschließlich durch das Starkregenrisikomanagement (SRRM) erarbeitet werden. Die Zuflüsse aus den Außengebieten und Hangflächen fließen dem Bocksbach zu und die Überflutungen in der Tiefenlage des Ortszentrums haben auch mit der Leistungsfähigkeit des verdolten Gewässers zu tun. Dabei spielen erfahrungsgemäß auch Einleitungen aus der Ortskanalisation in die Gewässer eine Rolle. Diese Zusammenhänge wurden noch nie gemeinsam untersucht. Dies liegt vermutlich daran, dass es bisher keine relevanten Abflüsse aus den Außengebieten gab und auch der Bocksbach selbst von Langensteinbach kommend in jüngster Vergangenheit kaum Hochwasser führte.
Während also die Untersuchungen nach dem SRRM aufgrund der aktuellen Brisanz besondere Relevanz für die Randlagen der Bebauung von Mutschelbach (Hanglagen) hat, ist für die integrative Betrachtung des Abfließens des Niederschlagswassers eine sogenannte Flussgebietsuntersuchung erforderlich.
Der Antrag hierfür konnte schon zum Jahresende gestellt werden und wird hoffentlich im April 2022 genehmigt.
Die Antragstellung für beide wasserwirtschaftlichen Untersuchungen ist deshalb so wichtig, da die relevanten Geodaten nicht ohne Landesbeteiligung verfügbar sind und spätere Maßnahmen, die auch in die Millionenhöhe gehen können, ohne vorliegende Untersuchungen nicht gefördert werden.
An der Flussgebietsuntersuchung für den Bocksbach (Klettenbach) wird sich auch die Gemeinde Pfinztal beteiligen. Während Karlsbad diese Untersuchung für den Hochwasserschutz von Langensteinbach und Mutschelbach braucht, benötigt die Gemeinde Pfinztal diese Untersuchung für den Bocksbach in Kleinsteinbach. Auch hier gab es im Juni / Juli sowohl Schwierigkeiten mit Starkregen als auch mit Überflutungen entlang des Bocksbachs. Diese Untersuchungen bieten gleichzeitig die Chance die jahrzehntelangen Mutmaßungen über den falschen Betrieb des Hochwasserrückhaltebeckens Mutschelbachs zu Lasten der Ortslage Kleinsteinbach anschaulich aufzuklären.
Verdolungseinlauf Klamm (Foto Wald + Corbe)
Starkregenrisikomanagement für Mutschelbach – allgemeines Vorgehen und aktueller Bearbeitungsstand
Aufgrund der enormen Häufung von Starkregenereignissen in den letzten Jahren, hat das Land 2016 mit dem Leitfaden „Kommunales Starkregenrisikomanagement“ auf die zunehmende Gefährdung durch Starkregen reagiert. Das nach dem Landesleitfaden durchgeführte kommunale Starkregenrisikomanagement (SRRM) kann jetzt ebenso wie die daraus resultierenden Hochwasser-Schutzmaßnahmen gefördert werden. Mit dem Leitfaden wird nicht nur eine einheitliche Vorgehensweise sichergestellt, es kann auch Vorsorge gegenüber Starkregenereignissen getroffen werden. Die Untersuchung umfasst drei Bearbeitungsteile: Analyse der Überflutungsgefährdung, Risikoanalyse und die Ausarbeitung eines Handlungskonzepts.
Starkregengefahrenkarten als wichtiges Ziel – Kritische Bereiche aufzeigen
Ein zentraler Baustein der SRRM-Untersuchung ist das Erstellen von Starkregengefahrenkarten (SRGK). Dabei werden drei Szenarien mit unterschiedlichen Auftretenswahrscheinlichkeiten (selten – außergewöhnlich – extrem) dargestellt. Aus diesen Karten werden die kritischen Bereiche ersichtlich.
Risikoanalyse von kritischen Objekten als nächster Schritt
Der zweite Bearbeitungsteil umfasst die Risikoanalyse. So müssen hohe Wasserstände in einem Ortsbereich (an einem Gebäude) nicht zwangsläufig zu Schäden führen. Das Überflutungsrisiko ergibt sich aus der Verknüpfung von Überflutungsgefahr und Schadenspotenzial. Die kritischen Objekte werden in den SRGK gekennzeichnet. Außerdem werden für gemeinsam mit der Kommune festgelegte Objekte Risikosteckbriefe erstellt.
Kommunales Handlungskonzept für verbesserten Schutz vor Starkregen
Die SRGK und die darauf aufbauende Risikoanalyse ist Grundlage des zu erstellenden kommunalen Handlungskonzeptes. Neben den Fachämtern der Kommune sind hierbei weitere Akteure wie die Feuerwehr oder die Forst- und Landwirtschaft (Außenbereich) eingebunden. Die wesentlichen Bestandteile des Handlungskonzeptes sind zum einen bauliche Maßnahmen. Informations- und Eigenvorsorge ergänzen diese. Ferner kommen noch die kommunale Flächenvorsorge und das Krisenmanagement hinzu. Mögliche Baumaßnahmen können beispielsweise Retentionsmaßnahmen und der Umbau von Verdolungseinläufen am Ortseingang sein. Wasser soll möglichst schadlos durch den Ort geleitet werden. Dabei helfen u.a. Gräben, Verdolungen und Notwasserwege.
Maßnahmen zur Verbesserung des Hochwasserschutzes – weiteres Vorgehen
Aus den Beobachtungen vor Ort und aus unseren Erfahrungen heraus, ist es nun aber so, dass es bereits Lösungsideen für einzelne Bereiche gibt. Das Zusammenwirken der Lösungsansätze muss aber überprüft werden, insbesondere weil es für niemanden eine Verschlechterung geben darf.
Folgende Lösungskonzepte sind wahrscheinlich:
Wolfsgraben: Die Bemessungswassermenge wird bestimmt. Geprüft werden ferner die Leistungsfähigkeit und Einleitungsbedingungen. Denkbar wären der Neubau einer Durchleitung mit Leiteinrichtung oder Rückhaltemaßnahme.
Durchleitung A8 / Wiesenstraße: Auch hier wird die Bemessungswassermenge bestimmt. Ebenso die Leistungsfähigkeit und Einleitungsbedingungen geprüft. Denkbar wäre der Neubau einer Durchleitung oder Rückhaltemaßnahme.
Maßnahmen an den Außengebieten müssen im Zusammenhang mit der Leistungsfähigkeit des Bocksbachs betrachtet werden. Dies muss detailliert untersucht werden.
Bereich Autobahn A 8 (Foto Wald + Corbe)
Problematik Maisanbau
In den letzten Jahren wurden landesweit immer mehr Ackerflächen mit Mais bepflanzt und die angelegten Felder reichen oft sehr nahe an die Bebauung heran. Nach den Starkregenereignissen 2021 berichteten betroffene Anlieger, dass hohe Zuflüsse vorwiegend aus den Maisäckern kamen. Die bestätigten auch die Vor-Ort-Termine. Die gleiche Problematik ist auch in anderen Gebieten zu beobachten. Beim Maisanbau kann es insbesondere bei kleiner Wuchshöhe zu verschlämmten Oberflächen kommen. Lössflächen sind dabei besonders kritisch. Der nach Vorereignissen fallende Regen konnte beim letzten Starkregen kaum noch in den Boden einsickern. Er floss zu großen Teilen oberflächlich ab. Eine wichtige Maßnahme insbesondere in den kritischen Hangflächen wäre daher, auf andere Nutzungen umzustellen. Auch Wiesenstreifen anzulegen würde sehr helfen. Direkt nach den Schadensereignissen kartierte das Fachbüro die Maisflächen.
Fragen der Bürger
In der anschließenden Fragerunde für die anwesenden Bürger wurden einzelne Hinweise auf weitere Untersuchungsschwerpunkte gegeben. Viele Bürger interessierten sich für den weiteren Ablauf und die geplanten Vor-Ort-Termine. Einhellig wurde die Meinung vertreten, dass eine rasche Umsetzung gewünscht sei, da die Gefahren durch Überflutungen latent bestehen, wie Niederschlagsereignisse in den vergangenen Wochen gezeigt hätten. Die Reinigung und Pflege vorhandener Entwässerungsgräben und Rechen sei dabei eine gemeinschaftliche Aufgabe.