Erste Informationsveranstaltung zum Starkregenschutz in Karlsbad-Langensteinbach
Am 26. Januar fand die erste Starkregeninformationsveranstaltung im Ortsteil Langensteinbach statt. Weitere Veranstaltungen folgen noch in Auerbach und Mutschelbach. Eine recht große Anzahl an Bürgerinnen und Bürgern verfolgte den Fachvortrag des beauftragten Ingenieurbüros Wald + Corbe. Jörg Koch und Anne Jakobs stellten die Untersuchungsergebnisse und mögliche Maßnahmen in der Schelmenbuschhalle vor. „Wie können wir bei solchen Ereignissen eine möglichst hohe Sicherheit erreichen“, dies ist für Bürgermeister Jens Timm die zentrale Frage. Sowohl von Seiten der Gemeindeverwaltung als auch von der versammelten Bürgerschaft war der unbedingte Wille zur Verbesserung der Situation deutlich zu erkennen. Gleichzeitig wurden aber auch die Zusammenhänge, die Komplexität und die Wechselwirkungen bei den Untersuchungen und Maßnahmen erkannt. Der folgende Text fußt im Wesentlichen auf den Informationen des Fachbüros.
Zunehmende Anzahl an Starkregenereignissen durch Klimawandel
Die außergewöhnlichen Starkregenereignisse im Zeitraum vom 18.06. bis zum 04.07.2021 haben in Langensteinbach mehrfach zu Überflutungen und Sachschäden in großer Höhe an mehreren Straßenzügen gesorgt. Besonders betroffen waren Gebäude und Einrichtungen im Baugebiet Schneidergärten und entlang der Hauptstraße zwischen dem alten Rathaus und dem Kreisel an der evangelischen Kirche. Überflutungen und Sachschäden traten aber auch am Rohrheckweg, an der Ettlinger Straße und an der Siemensstraße auf sowie vereinzelt auch an anderen Gebäuden abseits der beschriebenen Straßen.
Es ist mit zunehmenden Starkregenereignissen zu rechnen. Foto: Wald + Corbe
Starkniederschläge sind gekennzeichnet durch große Niederschlagsmengen, die in kurzer Dauer und räumlich begrenzter Ausdehnung auftreten und in der Folge zu oberflächigem Abfluss (Sturzfluten) führen. In Siedlungsflächen führen diese Abflüsse immer häufiger zu schadhaften Überflutungen abseits der eigentlichen Fließgewässer. Zwischenzeitlich haben die aufgetretenen Schäden durch Starkregen einen Anteil von 50 % an allen Hochwasserschäden bundesweit eingenommen.
Von Flusshochwasser spricht man dagegen bei einem über die Ufer tretenden Gewässer infolge flächiger Überregnung und / oder Schneeschmelze im Einzugsgebiet.
Das Auftreten von Starkregen ist vornehmlich im Frühjahr und Sommer zu beobachten, wenn hohe Temperaturen die Bildung großer Gewitterzellen begünstigen. Die Abflussbildung bei Starkregen wird durch die Flächenversiegelung und durch jahreszeitlich sich verändernde Bodencharakteristika bzw. die Bepflanzungssituation beeinflusst.
Das Auftreten von Starkregen über dem Siedlungsgebiet, also unmittelbar über den bebauten Flächen muss durch die Ortskanalisation (Mischkanalisation oder Trennkanalisation) abgeführt werden. Zu beachten ist dabei, dass diese baulichen Einrichtungen auf eine Wiederkehrzeit von i.d.R. max. 5-jährlichen Niederschlagsereignissen ausgelegt sind. Höhere Niederschläge führen bekannterweise zu Abflüssen über Straßen, Wege und Plätze zum nächsten Vorfluter oder versickern und verdunsten in Geländesenken.
Die zunehmende Anzahl von Starkniederschlagsereignissen in den vergangenen Jahren ist mit der stattfindenden Klimaveränderung verbunden und die Gefahren werden sich in den kommenden Jahren noch verstärken.
Problematisch werden Starkniederschläge insbesondere dann, wenn bisher nicht beobachtete oder nicht erwartete Abflüsse aus Außengebieten in die Ortslage einfließen und dort auf ungeschützte Gebäude und Einrichtungen treffen. Diese negativen Erfahrungen haben viele der hier Anwesenden im Juni / Juli 2021 gemacht.
Starkregen in Karlsbad. Foto: Wald + Corbe
Wie müssen mögliche Schutzmaßnahmen gestaltet sein und in welchem Umfang ist ein Schutz überhaupt möglich?
Wenn man sich zukünftig vor diese Gefahren schützen möchte, muss ein integrativer Ansatz gewählt werden. Gleichzeitig muss man sich immer im Klaren darüber sein, dass es keinen absoluten Hochwasserschutz oder Überflutungsschutz geben kann.
Die Vorgehensweise zur Vermeidung von Schäden durch Starkregen ist landesweit einheitlich geregelt. Wichtig ist bei wasserwirtschaftlichen Betrachtungen, dass wir die Ortslage immer als Ganzes betrachten.
Für den Ortsteil Langensteinbach (und Mutschelbach) können aber die Lösungen nicht ausschließlich durch das Starkregenrisikomanagement (SRRM) erarbeitet werden. Die Zuflüsse aus den Außengebieten und Hangflächen fließen dem Bocksbach zu und die Überflutungen in der Tiefenlage des Ortszentrums haben auch mit der Leistungsfähigkeit des verdolten Gewässers zu tun. Dabei spielen erfahrungsgemäß auch Einleitungen aus der Ortskanalisation in die Gewässer eine Rolle. Diese Zusammenhänge wurden noch nie gemeinsam untersucht. Dies liegt vermutlich daran, dass es bisher keine relevanten Abflüsse aus den Außengebieten gab und auch der Bocksbach selbst von Ittersbach kommend in jüngster Vergangenheit kaum Hochwasser führte. Gleichwohl ist vielen älteren Bürgern in Langensteinbach bekannt, dass die Hauptstraße schon des Öfteren überflutet war.
Während also die Untersuchungen nach dem SRRM aufgrund der aktuellen Brisanz besondere Relevanz für die Randlagen der Bebauung von Langensteinbach (Hanglagen) hat, ist für die integrative Betrachtung des Abfließens des Niederschlagswassers eine sogenannte Flussgebietsuntersuchung erforderlich.
Der Antrag hierfür konnte schon zum Jahresende gestellt werden und wird hoffentlich im April 2022 genehmigt.
Die Antragstellung für beide wasserwirtschaftlichen Untersuchungen ist deshalb so wichtig, da die relevanten Geodaten nicht ohne Landesbeteiligung verfügbar sind und spätere Maßnahmen, die auch in die Millionenhöhe gehen können, ohne vorliegende Untersuchungen nicht gefördert werden.
An der Flussgebietsuntersuchung für den Bocksbach (Klettenbach) wird sich auch die Gemeinde Pfinztal beteiligen. Während Karlsbad diese Untersuchung für den Hochwasserschutz von Langensteinbach und Mutschelbach braucht, benötigt die Gemeinde Pfinztal diese Untersuchung für den Bocksbach in Kleinsteinbach. Auch hier gab es im Juni / Juli sowohl Schwierigkeiten mit Starkregen als auch mit Überflutungen entlang des Bocksbachs. Diese Untersuchungen bieten gleichzeitig die Chance die jahrzehntelangen Mutmaßungen über den falschen Betrieb des Hochwasserrückhaltebeckens Mutschelbachs zu Lasten der Ortslage Kleinsteinbach anschaulich aufzuklären.
SRRM für Langensteinbach – allgemeines Vorgehen und aktueller Bearbeitungsstand
Aufgrund der enormen Häufung von Starkregenereignissen in den letzten Jahren, hat das Land 2016 mit dem Leitfaden „Kommunales Starkregenrisikomanagement“ auf die zunehmende Gefährdung durch Starkregen reagiert. Das nach dem Landesleitfaden durchgeführte kommunale Starkregenrisikomanagement (SRRM) kann jetzt ebenso wie die daraus resultierenden Hochwasser-Schutzmaßnahmen gefördert werden. Mit dem Leitfaden wird nicht nur eine einheitliche Vorgehensweise sichergesellt, es kann auch Vorsorge gegenüber Starkregenereignissen getroffen werden. Die Untersuchung umfasst als drei Bearbeitungsteile die Analyse der Überflutungsgefährdung, die Risikoanalyse und die Ausarbeitung eines Handlungskonzepts.
Starkregengefahrenkarten als wichtiges Ziel – Kritische Bereiche aufzeigen
Ein zentraler Baustein der SRRM-Untersuchung ist die Erstellung von Starkregengefahrenkarten (SRGK) für drei Szenarien mit unterschiedlichen Auftretenswahrscheinlichkeiten (selten – außergewöhnlich – extrem). Grundlage der Berechnungen bilden die landesweit in 5 m Rasterwerten bereitgestellten Oberflächenabflusskennwerte (OAK). Auf Grundlage der bereitgestellten digitalen Geländemodelle werden für den Untersuchungsraum 2D-Strömungsmodelle aufgebaut. In den 2D-Strömungsmodellen werden die OAK eingelesen und instationäre Berechnungen für die drei Szenarien durchgeführt. Als Ergebnis liegen SRGK des Untersuchungsraumes vor. Sie zeigen, welche kritischen Bereiche (Gebäude, Unterführungen, …) gefährdet sind und mit welchen Wassertiefen zu rechnen ist. Für Langensteinbach wurden Anfang November die Datengrundlagen geliefert. Zwischenzeitlich konnten erste Arbeitskarten (Vorabzüge) erstellt werden, welche als Grundlage für die anstehende Validierung dienen. In den Arbeitskarten sind die aufgetretenen Hauptfließwege (z.B. im Bereich Fliederstraße, Schubertstraße, Ettlinger Straße, Siemensstraße, …) bereits jetzt plausibel abgebildet. Verdolungen und Strukturen (Mauern, Brücken, Unterführungen, …), welche durch das digitale Geländemodell nicht erfasst sind, werden im Zuge von Ortsbegehungen aufgenommen und in das Modell eingebaut. Anschließend werden die SRGK aktualisiert.
Risikoanalyse von kritischen Objekten als nächster Schritt
Der zweite Bearbeitungsteil umfasst die Risikoanalyse. So müssen hohe Wasserstände in einem Ortsbereich (an einem Gebäude) nicht zwangsläufig zu Schäden führen. Das Überflutungsrisiko ergibt sich aus der Verknüpfung von Überflutungsgefahr und Schadenspotenzial. Hierzu werden kritische Objekte (Krankenhäuser, Kindergärten, Altenheime, Tiefgaragen, Energieversorgung) lokalisiert und hinsichtlich ihrer Gefährdung überprüft. Auch Zugänglichkeiten (Feuerwehr, Krankenhaus) und die Befahrbarkeit wichtiger Verbindungswege lassen sich überprüfen. Dies gilt auch für die im Starkregenfall auftretenden Schäden durch wassergefährdende Stoffe (Tankstellen, chem. Industrie, …). Die kritischen Objekte werden in den SRGK gekennzeichnet. Außerdem werden für gemeinsam mit der Kommune festgelegte Objekte Risikosteckbriefe erstellt.
Kommunales Handlungskonzept
Die SRGK und die darauf aufbauende Risikoanalyse liefern die Grundlagen für die Erstellung eines kommunalen Handlungskonzeptes zur Verbesserung des Schutzes vor Starkregen. In die Ausarbeitung eines Handlungskonzeptes werden neben den Fachämtern der Kommune weitere Akteure wie die Feuerwehr oder die Forst- und Landwirtschaft (Außenbereich) eingebunden. Wesentliche Bestandteile eines Handlungskonzeptes sind bauliche Maßnahmen, die Informationsvorsorge / Eigenvorsorge, die kommunale Flächenvorsorge und das Krisenmanagement. Als Baumaßnahmen können beispielsweise Retentionsmaßnahmen, der Umbau von Verdolungseinläufen am Ortseingang (Verlandungs- und Verlegungsproblematik) und eine möglichst schadlose Ortsdurchleitung (Graben, Verdolung, Notwasserweg, …) realisiert werden.
Gemeindliche Sofortschutzmaßnahme. Foto: Wald + Corbe
Private Schutzmaßnahme. Foto: Wald + Corbe
Maßnahmen zur Verbesserung des Hochwasserschutzes – weiteres Vorgehen
Aus den Beobachtungen vor Ort und aus unseren Erfahrungen heraus, ist es nun aber so, dass es bereits Lösungsideen für einzelne Bereiche gibt. Das Zusammenwirken der Lösungsansätze muss aber überprüft werden, insbesondere weil es für niemanden eine Verschlechterung geben darf.
Folgende Lösungskonzepte sind wahrscheinlich:
Fliederstraße: Rückhaltebecken mit begleitenden Geländewällen in Richtung Mozartstraße und Haydnstraße
Schubertstraße: Retentionsbecken durch Anhebung des rückseitigen Graswegs. Lösungen für die Entleerung müssen entwickelt werden (z.B. Versickern, Verdunsten, Auspumpen, Neubau einer Ableitung).
Siemensstraße: Beobachtungen zeigen, dass das Außengebietswasser teilweise an dem Einlauf in der Heldrunger Straße vorbeiströmt. Es ist nun zu untersuchen, welche Außengebietszuflüsse auftreten bzw. für den Überflutungsschutz anzusetzen sind, ob diese durch das vorhandene Ableitungsrohr zum Bocksbach passen und wenn ja, wie sie sicher eingeleitet werden können.
Rohrheckwerk: Feststellung der Bemessungswassermenge, Überprüfung der vorhandenen Einleitung, bauliche Verbesserungsmaßnahmen
Ettlinger Straße / Ecke Goethestraße: Feststellung der Bemessungswassermenge, Überprüfung der vorhandenen Einleitung, bauliche Verbesserungsmaßnahmen möglicherweise kombiniert mit einer Retentionsmaßnahme
Keltenstraße: heuer bisher keine gravierenden Probleme aufgetreten, möglicherweise lokal geringere Niederschläge, Gullideckel in Hauptstraße gelüpft.
Weitere Fließwege anschauen, die bisher unauffällig waren.
Schließlich die Hauptstraße beginnend etwa an der Ittersbacher Straße bis unterhalb des Weidenhofs. Hier muss untersucht werden, was genau für die Überflutungen im Ortszentrum verantwortlich ist und wie Abhilfe geschaffen werden kann. Hierbei sind alle Zuflüsse mit den jeweiligen Abflüssen und den zeitlichen Überlagerungen zu betrachten. Die Maßnahmen an den Außengebieten werden die zeitlichen Überlagerungen verändern. Möglich erscheint auch, dass der Querschnitt des Bocksbach in Verbindung mit dem sehr geringen Längsgefälle und der Einleitungen der Ortsentwässerungen für Rückstau sorgt. Möglicherweise helfen hier Rückhaltungen an den Außengebieten, möglicherweise können aber auch Maßnahmen am Bocksbach selbst und an der Ortkanalisation erforderlich werden.
Dies muss detailliert untersucht werden.
Vorgezogene Lösungskonzepte
Für die Fliederstraße und die Schubertstraße können die Lösungskonzepte nach Vorliegen der abgestimmten Risikokarten mithilfe einer isolierten Betrachtung im Rahmen der Flussgebietsuntersuchung frühzeitig weiter untersucht werden (Bemessung der Rückhaltemengen).
Problematik Maisanbau
In den letzten Jahren wurden landesweit immer mehr Ackerflächen mit Mais bepflanzt und die angelegten Felder reichen oft sehr nahe an die Bebauung heran. Nach den Starkregenereignissen 2021 berichteten uns betroffene Anlieger, dass hohe Zuflüsse vorwiegend aus den Maisäckern kamen. Die bestätigten auch die Begehungen und zeigen auch Erfahrungen in anderen Gebieten. Bei Maisanbau kann es insbesondere bei kleiner Wuchshöhe zu einer Verschlämmung der Oberfläche kommen. Lössflächen sind dabei besonders kritisch. Der nach Vorereignissen fallende Regen konnte beim letzten Starkregen kaum noch infiltrieren und das Wasser floss Großteils oberflächlich ab. Eine wichtige Maßnahme insbesondere in den kritischen Hangflächen wäre daher eine Umstellung auf andere Nutzungen oder das Anlegen von Wiesenstreifen. Hierzu wurden direkt nach den Schadensereignissen die Maisflächen von uns kartiert.
Fragen der Bürger
Es gab Vorschläge und Hinweise in Sachen Hochwasserschutz sowie verschiedenste Rückfragen. Stichworte waren dabei unter anderem: Rückhaltebecken am Klettenbach, Berücksichtigung des geplanten Neubaugebietes Schaftrieb und laufende Vorsorgemaßnahmen. Mit berücksichtigt werden soll auch das Thema verdichtetes Wohnen im Innenort und dadurch wegfallende Grünflächen. Eindrücklich wurde geschildert, wie oft schon Hochwassersituationen in Langensteinbach aufgetreten sind.