Gemeinderatssitzung am 8. Mai
Große Themen standen auf der Tagesordnung der Gemeinderatssitzung Anfang Mai. Das Gremium nahm unter anderem Stellung zur Teilfortschreibung „Windenergie“ des Regionalverbandes Mittlerer Oberrhein.
Gemeinderatsvotum zu Windenergieflächen in Karlsbad
Der Gemeinderat befasste sich mit vier vom Regionalverband vorgesehenen Windenergieflächen auf Karlsbader Gemarkung. Er nahm dazu Stellung.
Fläche 19 Rappenbusch (51,6 ha) – südlich von Mutschelbach
Diese Fläche wird abgelehnt.
Fläche 20 Steinig Steinig (47,4 ha) – südlich von Mutschelbach
Diese Fläche wird abgelehnt.
Fläche 21 Hagbuckel (28 ha) – Nähe ehemalige Kreismülldeponie
Diese Fläche wird bestätigt.
Fläche 23 Köpfleswald (101,2 ha) – große Waldfläche zwischen Langensteinbach und Ittersbach
Diese Fläche wird bestätigt.
Auftrag an Firma Endura Kommunal Gmbh erteilt
Der Gemeinderat beschloss weiterhin, die Firma Endura Kommunal GmbH für das Thema Windenergienutzung zu beauftragen. Das externe Büro soll die Gemeinde beim weiteren Planen und Entscheiden in Sachen Windenergie begleiten.
Analyse der Windenergieflächen
Insgesamt umfassen die vier Vorranggebiete eine Gesamtfläche von 228,2 ha. Be-zogen auf die Gesamtgemarkungsfläche von 3801 ha bedeutet das einen Flächenanteil von 6 %. Dieser ist mehr als drei Mal so groß wie der für die gesamte Region Mittlerer Oberrhein geforderte Anteil von 1,8%.
Hinzu kommen die Flächen in unmittelbarer Nachbarschaft der Gemeinde Karlsbad im Enzkreis. Hier wurde der Windpark Straubenhardt mit 11 Windenergieanlagen bereits realisiert. In der Flächenkulisse des Regionalverbandes Nordschwarzwald sind darüber hinaus im Rahmen der Fortschreibung des dortigen „Teilregionalplans Windenergie“ die Flächen 4 (Remchingen) mit ca. 50 ha und 7 (Keltern) mit ca. 70 ha unmittelbar an der Karlsbader Gemarkungsgrenze als Vorranggebiete vorgesehen.
Überlastung von Karlsbader Landschaft und Siedlungsbereichen
Die Gemeinde Karlsbad sei, so Bürgermeister Björn Kornmüller, durchaus bereit, den Ausbau erneuerbarer Energien, insbesondere der Windenergie, zu fördern und voranzutreiben. Allerdings dürfe der Ausbau der Windenergie nicht einseitig zu Lasten einzelner Kommunen gehen. Die Akzeptanz in der Bevölkerung zum Errichten von Windenergieanlagen müsse gegeben sein. Die Handlungshoheit, wo in Karlsbad gebaut wird, müsse erhalten werden. Wenn die Bevölkerung beteiligt wird fördere das die Akzeptanz. Mutschelbach sei schon durch die Autobahn und die Planung der Windenergieflächen auf Remchinger Gemarkung erheblich belastet. Ohne „Steinig“ und „Rappenbusch“ würde sich die Vorrangfläche auf 3,3 Prozent der Gemarkung Karlsbad verkleinern. Das sei immer noch ein großer Anteil und mehr als die für die gesamte Region geforderten 1,8 Prozent.
Eine Ausweisung all dieser Flächen als Vorranggebiete für die Windkraftnutzung führt zu einer Überforderung des entsprechenden Teilraums. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf das Landschaftsbild. Damit verbunden ist die Funktion als Erholungsraum für die Bevölkerung. Diese wirkt sich enorme auf die Lebens- und Wohnfunktion der betroffenen Siedlungsbereiche aus.
Aufgrund der topografischen Gegebenheiten werden die beiden Vorranggebiete 4 Remchingen und 7 Keltern optisch und vom räumlichen Zusammenhang als Teil der Karlsbader Gemarkung wahrgenommen und entfalten die volle Wirkung auf diese.
Darüber hinaus kann das umzingeln von Siedlungen durch Windkraftanlagen sich auf das menschliche Wohlbefinden auswirken. Dies ist insbesondere von der Entfernung möglicher Anlagen und den räumlichen Vorbelastungen abhängig.
Durch die Bündelung von Vorranggebieten auf Gemarkung der Gemeinde Karlsbad und der Ausweisung zusätzlicher Flächen unmittelbar an der Grenze zum Regionalverband Nordschwarzwald sieht die Gemeinde Karlsbad die Verhältnismäßigkeit bei der Ausweisung von Vorrangflächen innerhalb der Raumschaft als nicht mehr gewahrt.
Die Flächen in der Einzelanalyse
Fläche 19 Rappenbusch (51,6 ha) - abgelehnt
Die durchschnittliche Windleistungsdichte liegt bei 288 W/m². Die Fläche befindet sich im Eigentum des Landes Baden-Württemberg (Staatsforst). Konflikte gibt es mit verschiedenen Belangen, u.a. Naturnahe Wälder, Hohe Bodenfunktion, Vorrangflur und einer erheblichen Beeinträchtigung der Schutz- und Erhaltungsziele der Natura 2000-Gebiete. Ebenso sind artenschutzrechtliche Konflikte zu erwarten. Weiter sei eine kumulative Belastung durch die Autobahn sowie der Windenergieflächen 20 „Steinig“(RVMO), sowie der 4 „Remchingen“ zu erwarten. Darüber hinaus wurde nach Einschätzung der Verwaltung der vom Regionalverband angesetzte Mindestabstand (850 m) zu Siedlungsbereichen (hier: Wiesenstraße, Mutschelbach) nicht korrekt angewendet.
Fläche 20 Steinig (47,4 ha) - abgelehnt
Die durchschnittliche Windleistungsdichte liegt bei 295 W/m². Die Fläche befindet sich teilweise im Eigentum des Landes Baden-Württemberg (Staatsforst), teilweise im Eigentum mehrerer Privateigentümer. Konflikte gibt es für die Belange: Regionaler Biotopverbund, Naturnahe Wälder, FFH-Mähwiesen, Überschwemmungsgebiete, Hohe Bodenfunktion, Vorrangflur und einer erheblichen Beeinträchtigung der Schutz- und Erhaltungsziele der Natura 2000-Gebiete. Ebenso sind artenschutzrechtliche Konflikte zu erwarten. Weiter ist eine kumulative Belastung durch die Autobahn sowie der Windenergieflächen 19, „Rappenbusch“ sowie der Fläche Windenergie 4 „Remchingen“ zu erwarten.
Stellungnahme zu Flächen 19 und 20
Beide Flächen liegen südlich von Mutschelbach. Durch die erwähnte und fortgeschrittene Planung des Windparks 4 Remchingen würde der Ortsteil Mutschelbach zusätzlich zur bereits bestehenden Lärmbelastung durch die Autobahn A8 auch in südlicher Richtung durch beide Vorrangflächen „umzingelt“ und erheblich belastet. Die prognostizierte Windleistungsdichte ist die geringste der Karlsbader Flächen. Insgesamt sind beide Flächen aus Karlsbader Sicht nicht geeignet.
Fläche 21 Hagbuckel (28 ha) - befürwortet
Die durchschnittliche Windleistungsdichte liegt bei 319 W/m². Die Fläche befindet sich im Eigentum der Gemeinde Karlsbad. Konflikte gibt es für die Belange: Wildtierkorridor, Landschaftsschutzgebiet und einer erheblichen Beeinträchtigung der Schutz- und Erhaltungsziele der Natura 2000-Gebiete. Ebenso sind artenschutzrechtliche Konflikte zu erwarten. Weiter ist eine kumulative Belastung durch die S-Bahn-Trasse, sowie der Windenergieflächen 23, „Köpfleswald“ sowie der Windenergiefläche 7 „Keltern“ zu erwarten.
Die Fläche ist bereits seit 2019 im Teil-Flächennutzungsplan des Nachbarschaftsverbandes Karlsruhe als Konzentrationszone für Windenergie ausgewiesen. Mit einer Windleistungsdichte von 319 W/m² weist sie den besten Wert der Karlsbader Vorrangflächen auf. In den Vorberatungen wurde diese Fläche zur Übernahme in den Regionalplan favorisiert.
Fläche 23 Köpfleswald (101,2 ha) - befürwortet
Die durchschnittliche Windleistungsdichte liegt bei 307 W/m². Die Fläche befindet sich überwiegend im Eigentum der Gemeinde Karlsbad, teilweise im Eigentum des Landes Baden-Württemberg (Staatsforst). Konflikte gibt es für die Belange: Wildtierkorridor, Landschaftsschutzgebiet und einer erheblichen Beeinträchtigung der Schutz- und Erhaltungsziele der Natura 2000-Gebiete. Ebenso sind artenschutzrechtliche Konflikte zu erwarten. Weiter ist eine kumulative Belastung durch die S-Bahn-Trasse, sowie der Windenergieflächen 21, „Hagbuckel“, sowie der WE7 „Keltern“ zu erwarten. Die Fläche ist eine der größten zusammenhängenden Waldflächen in Karlsbad und eines der am stärksten frequentierten Naherholungsbereiche. Sie grenzt direkt an das Gewerbe- und Industriegebiet Ittersbach an. Durch diese räumliche Nähe könnten u.U. auch die Karlsbader Gewerbebetriebe von der direkten Strombelieferung möglicher Windkraftanlagen profitieren. Mit einer Windleistungsdichte von 307 W/m² weist sie den zweitbesten Wert der Karlsbader Vorrangflächen auf. Die Abstände zu den Siedlungsbereichen der Karlsbader Ortschaften sind ausreichend bemessen.
Sachliche und emotionale Diskussion im Gemeinderat
Im Gemeinderat wurde intensiv diskutiert. Die insgesamt vom Regionalverband für Karlsbad ausgewiesenen Flächen für Karlsbad sind dem Gremium zu viel. Es ist zum jetzigen Zeitpunkt allerdings nicht abschätzbar, wie viele Flächen der Regionalverband tatsächlich festlegen wird. Außerdem kann nicht gesagt werden, welche Flächen letztlich danach konkret mit Anlagen belegt werden. Vor diesem Hintergrund fiel es etlichen Gremiumsmitgliedern nicht leicht, zu entscheiden. Zur Frage des politischen Vorgehens verdeutlichte Bürgermeister Björn Kornmüller, dass mit den Fraktionsvor-sitzenden ebenfalls bereits intensiv diskutiert worden sei. Als Leitlinie sei besser, planerisch durch das Festlegen von Gebieten “den Hut aufzuhaben und zu gestalten” als keine Flächen vorzuschlagen. Dieses grundsätzliche Vorgehen wurde mehrheitlich in den Diskussionsbeiträgen befürwortet. Im Hinblick auf die Eingriffe in die Natur auf den zwei verbleibenden Restflächen Hagbuckel und Köpfleswald rangen verschiedene Gemeinderäte emotional mit sich, zuzustimmen. Ein Gemeinderat bewertete den rechtlichen Rahmen als Erpressung. Wenn ein schlechtes Verhältnis zu den umliegenden Kommunen entstünde, wäre das übel. Ein anderer Gemeinderat befürchtete wegfallende Ackerflächen im Steinig. Diese seien für die Ernährungssicherheit wichtig. Der Nachbarschaftsverband vermittle im Übrigen die gleiche Stellungnahme zu den Flächen wie der Gemeinderat, so Joachim Guthmann auf eine Nachfrage.
Hintergrundinfos
Die Träger der Regionalplanung sind gesetzlich aufgefordert, in den Regionalplänen rechtzeitig – bis September 2025 - Gebiete für die Nutzung der Windenergie festzulegen. Damit sollen die räumlichen Voraussetzungen für den Ausbau der erneuerbaren Energien geschaffen und die gesetzlichen Klimaschutzziele erreicht werden können. Der Regionalverband müsse mindestens 1,8 Prozent der Regionsfläche als Vorranggebiete ausweisen. Wenn er dies nicht fristgemäß macht, werden solche Anlagen in allen Gebieten grundsätzlich als privilegierte Vorhaben zulässig sein. Im Einzelfall müsste dann nur geprüft werden, ob öffentliche Belange entgegenstehen.
Zweite Anhörung beim fortzuschreibenden Regionalplan Mittlerer Oberrhein (RVMO)
Den Anregungen der Gemeinde Karlsbad zum 1. Anhörungsentwurf wurde mit Ausnahme der Aufnahme einer Siedlungsfläche für die Erschließung einer Gewerbefläche „Steinig“ Rechnung getragen. Der Gemeinderat schloss sich jetzt der vorgeschlagenen Stellungnahme zur zweiten Anhörung an. Die Gemeinde fordert weiterhin planerisch eine Gewerbefläche „Steinig“.
Joachim Guthmann erläuterte u.a., dass der derzeit gültige Regionalplan des Regionalverbandes Mittlerer Oberrhein (RVMO) 2003 genehmigt wurde. Er wird derzeit neu fortgeschrieben. Bei der ersten Anhörung hatte die Gemeinde am 30.06.2021 Stellung genommen. Die Planung wurde inzwischen weiterbearbeitet. Jetzt steht die 2. Anhörungsrunde an. Zu diesen Änderungen soll die Gemeinde Stellung nehmen.
Stellungnahme der Gemeinde Karlsbad zum 1. Anhörungsentwurf (3 Themenbereiche):
a. Anpassungsbedarf zum Flächennutzungsplan
Für die Gemeinde Karlsbad wurde im Flächennutzungsplan im Ortsteil Auerbach die Bauflächen „Brunnenwiesen“ aufgegeben, und die Baufläche „Buckeberg III“ neu aufgenommen. Bei dieser Fläche war im Regionalplan sowohl die Siedlungsfläche, als auch die Grünzäsur im Bereich der Neuausweisung „Buckeberg III“ geringfügig anzupassen. Ebenso musste die geplante Gewerbefläche „Finkengrund“ bezüglich der Ausformung des regionalen Grünzuges angepasst werden. Dies setzte der Regionalverband um.
b. Gewerbeflächen
Nach Genehmigung des Flächennutzungsplanes stehen der Gemeinde Karlsbad für die Entwicklung von Gewerbegebieten die Siedlungsflächen „Schießhüttenäcker V“ (3,6 ha) und „Finkengrund“ (5,6 ha) zur Verfügung.
Der Entwurf zur Fortschreibung des Regionalplanes sieht weiterhin die von der Gemeinde Karlsbad seit Jahren favorisierte Fläche „Steinig“ nicht als Siedlungsbereich vor. Insofern wurde dem jahrelangen Bestreben der Gemeinde, diese Fläche zu aktivieren, weiterhin nicht entsprochen. Sie ist verkehrlich bestens angebundenen und auch vom Regionalverband ursprünglich für die Bestflächenstudie vorgesehen. Die Gemeinde fordert weiterhin, sie aufzunehmen. Mit dieser Forderung zusammen sol der regionale Grünzug zurückgenommen werden. Die Gemeinde ist fortlaufend auch bereit, in diesem Bereich interkommunal zusammenzuarbeiten.
c. Gebiete für regionalplanerisch abgestimmte Siedlungserweiterungen
Der Regionalplan legt insbesondere Angebote zur Siedlungserweiterung fest. Ein Entwicklungs- oder gar Baugebot entfalten diese Flächenfestlegungen des Regionalplans nicht.
Für die Gemeinde Karlsbad waren im 1. Fortschreibungsentwurf vom RVMO folgende (zusätzlichen) Siedlungsflächen dargestellt:
Langensteinbach:
„Westlich der Heldrunger Straße“
Im Nordwesten wurden Flächen westlich der Heldrunger Straße und des Gewerbegebiets „Schießhüttenäcker“ als neue Siedlungsflächen dargestellt. Die Fläche westlich der Heldrunger Straße wurde inzwischen aufgrund der schwierigen topgraphischen Anbindung wieder aus dem Entwurf des Regionalplans gestrichen.
„Westlich der Römerstraße“
Die Fläche westlich der Römerstraße ist auch im 2. Anhörungsentwurf enthalten.
Spielberg:
Für den Ortsteil Spielberg war eine Siedlungserweiterung südöstlich und östlich der Baugebiete „Holderäcker/Hinter der Kirche“ und „Holderäcker II“ vorgesehen.
Aufgrund der topografischen Verhältnisse wurde diese vom Gemeinderat als nicht umsetzbar gesehen. Die Alternativfläche wurde vom RVMO‘ aufgenommen und die erste Fläche wieder gestrichen.
Änderungen im 2. Anhörungsentwurf:
Langensteinbach
Der RVMO nahm die geforderte Siedlungsfläche westlich der Goethestraße auf. Diese bietet perspektivisch die Chance, das Schul- und Sportzentrum besser an das überörtliche Straßennetz anzubinden.
Bereits ohne die neu auszuweisenden Siedlungsflächen des Regionalplans verfügt die Gemeinde Karlsbad im aktuellen Flächennutzungsplan noch über Flächenreserven für Wohnbebauung von etwas über 50 Hektar mit Entwicklungsmöglichkeiten für alle Ortsteile. Diese bieten für die Zeit bis zum neu aufzustellenden Planwerk ausreichend Entwicklungsmöglichkeiten für die Gesamtgemeinde Karlsbad. Beim Umsetzen der Flächen müssen immer zuerst mögliche Innenentwicklungsflächen und abzurundende Ortsränder geprüft werden. Erst danach können weitere Außenflächen erschlossen werden. Insofern wird für die Wohnbauflächen weiterhin kein über die geplanten Siedlungsflächen hinausgehender Bedarf gesehen.
Diskussion im Gemeinderat
Das Gremium befürwortete mehrheitlich, an der Aufnahme einer Gewerbefläche Steinig festzuhalten. Insgesamt kritisch vom Flächenverbrauch her sah die Fraktion Bündnis 90/Grüne das Thema. Ein Gemeinderat verwies auf gemeindeeigene Grundstücke die bei Verhandlungen mit der Stadt Karlsruhe bezüglich Steinig als Pfand verwendet werden könnten.
Hintergrundinfos
Ausführliche Informationen zu den Tagesordnungspunkten mit der Vorlage finden Sie im Ratsinformationssystem der Gemeinde Karlsbad (Bürgerinfoportal).